Du fehlst… oder: Die Lücke im Baum

Weihnachten steht kurz vor der Tür. Dieses Jahr ist so vieles anders, als wir es gewohnt sind. Und ganz besonders anders ist es für Menschen, die um jemanden trauern. Vielleicht war kein Verabschieden möglich. Vielleicht gab es keine Möglichkeit, eine Trauerfeier im Kreis der Familie und Freunde abzuhalten. Vielleicht haben Umarmungen gefehlt, Nähe. Mein ältester Freund schrieb mir damals an Weihnachten kurz nach dem Tod meiner Mutter: „Ich weiß, wie schmerzhaft das erste Weihnachtsfest ohne den geliebten Menschen ist.“ Und er hatte recht. Weihnachten ist das Fest der Liebe, das Fest der Familie, da zeigt sich besonders schmerzhaft, wenn jemand fehlt.

Vielleicht gibt uns gerade diese Zeit die Möglichkeit, neue Rituale, neue Bräuche auszuprobieren? Eines möchte ich Euch gerne vorstellen. Es stammt aus der Familie Bonhoeffer, Dietrichs Schwester Sabine Leibholz-Bonhoeffer beschrieb es folgendermaßen:

„Weihnachten 1918 ist alles sehr schwer. Unser Bruder Walter fehlt. Er, der zweitälteste Sohn meiner Eltern, ist am 28. April 1918 als achtzehnjähriger Fahnenjunker im Westen gefallen. Eine schreckliche Lücke ist nun da, und sie bleibt offen. An diesem Weihnachtstag sagt unsere Mutter: ‚Wir wollen nachher hinübergehen.‘ Das Hinübergehen heißt, wir gehen alle auf den Friedhof. Mama und Papa sind vorher noch einmal ins Weihnachtszimmer gegangen und haben einen Tannenzweig vom Baum geschnitten mit einem Licht und Lametta und nehmen diesen Weihnachtszweig für das Grab von Walter mit. Auch in den folgenden Jahren ist es zu Weihnachten bei diesem Friedhofsgang geblieben.“

Ein wunderbares Ritual. Diese Lücke, sie zeigt sich ganz sichtbar im schön geschmückten Weihnachtsbaum. Was im Inneren schmerzt, wird außen sichtbar. Der Zweig am Grab schafft eine Verbindung zum Verstorbenen und zeigt: Du bist ein Teil von uns. Du hast eine Lücke hinterlassen. Wir lieben Dich.

 

Foto: Bruno/Germany auf Pixabay